Perfekt unperfekt: Was Ihren Teppich so besonders macht


28.01.2022

Ach, diese kleinen Schönheitsfehler: Wer kennt sie nicht? Ein Kratzer auf dem Holztisch, die verblasste Farbe des Sofapolsters, eine Falte im Teppich. Vor allem in den eigenen vier Wänden stechen sie uns immer wieder ins Auge. Doch was wäre, wenn wir diese Details nicht als Makel, sondern vielmehr als Besonderheiten sehen würden? Kleine Eigenheiten, die Ihrem Zuhause einen einzigartigen Charakter verleihen? Genau darum geht es beim Einrichten im Wabi-Sabi-Stil: Schönheit in scheinbar unvollendeten, abgenutzten Objekten oder unregelmäßigen Formen zu finden. Wir erklären, worum es bei diesem Konzept geht und wie Sie sich davon inspirieren lassen können.

1. Wabi-Sabi in Japan: Definition und Philosophie
2. Leben nach dem Wabi-Sabi-Prinzip

1. Wabi-Sabi in Japan: Definition und Philosophie


Die westliche Welt strebt in nahezu allen Lebensbereichen nach Perfektion. Dieses Streben prägt auch unseren Sinn für Ästhetik: Wir sind es gewohnt, Schönheit in erster Linie mit Symmetrie, Reinheit und Vollkommenheit gleichzusetzen.
Doch die japanische Kultur folgt mit dem Wabi-Sabi-Stil einem ganz anderen Prinzip. Ausgehend von den Lehren des Zen-Buddhismus stellt dieser Ansatz genau das in den Vordergrund, was wir zu kaschieren versuchen.

Wabi: Der Wert des Unvollständigen und Uneinheitlichen

Das Prinzip des "Wabi" geht auf Murata Shukō zurück, den Begründer der japanischen Teezeremonie aus dem 15. Jahrhundert. Er stellte fest, dass der Mond am schönsten wirkt, wenn die Wolken ihn teilweise verdecken. Laut Shukō ist dieser Anblick faszinierend, weil so nicht alles auf einmal preisgegeben wird. Im Gegensatz zum hellen Vollmond lässt ein verschleierter Halbmond Raum für unsere Fantasie. Er macht uns neugierig auf das, was es noch zu entdecken gibt. Dadurch kam Shukō zu dem Schluss: Wir sollten unvollkommene Werke mit all ihren Möglichkeiten schätzen lernen, anstatt nach vollendeten Objekten ohne verborgene Geheimnisse oder Überraschungen zu eifern.

Sabi: Der Wert von Verschleiß und Abnutzung

"Sabi" bezieht sich auf die Art und Weise, wie wir natürliche Prozesse der Reifung, des Alterns und des Verfalls wahrnehmen. Anstatt den ursprünglichen Zustand eines Gegenstands auf Biegen und Brechen zu bewahren, sollten wir Veränderungen im Laufe der Zeit annehmen und wertschätzen. Kratzer, Risse oder Verfärbungen sind keine Anzeichen für einen Wertverlust. Ganz im Gegenteil: Sie zeigen, dass das Objekt einen wichtigen Zweck erfüllt hat, weil es immer wieder benutzt wurde. So werden Abnutzungserscheinungen im Stil des Wabi-Sabi zu Attributen, die den einzigartigen Charakter von Alltagsgegenständen hervorheben.

2. Leben nach dem Wabi-Sabi-Prinzip


In der Theorie klingt die Idee recht einfach: Nicht nach Perfektion streben, sondern sich an den kleinen Unvollkommenheiten im eigenen Umfeld erfreuen. Das ist oft leichter gesagt als getan – vor allem in einer Welt, die uns streng definierte Schönheitsideale vorschreibt. Dennoch gibt es viele Wege, wie Sie Elemente des Wabi-Sabi-Stils in Ihren Alltag einbauen können. Um Ihnen den Einstieg zu erleichtern, geben wir Ihnen hier ein paar Tipps und Tricks an die Hand.

Wabi-Sabi als Wohnstil: von Dekoration bis zu Teppichen


Einzigartige Objekte in den Fokus rücken

Möbel oder Dekoartikel vom Fließband gibt es überall günstig zu kaufen – aber solche Gegenstände erzählen keine Geschichten. Bei der Einrichtung im Wabi-Sabi-Stil steht echtes Kunsthandwerk im Mittelpunkt: eine bemalte Teekanne, eine Holztruhe vom Flohmarkt oder ein handgewebter Teppich, der die eigene Persönlichkeit zum Ausdruck bringt. Stellen Sie diese Schätze an einen Platz, wo sie voll und ganz zur Geltung kommen. In Schränken oder Schubladen verstaut werden sie auf Dauer verstauben und in Vergessenheit geraten.


Die Natur als Quelle für Inspiration nutzen

Stark verarbeitete, synthetische Produkte sehen meist nur „perfekt“ aus, solange sie brandneu sind. Im Laufe der Zeit wird es schwierig, dieses makellose Aussehen aufrechtzuerhalten. Deshalb empfehlen wir natürliche Materialien, die robust und witterungsbeständig sind. Vom Wabi-Sabi-Stil inspirierte Wohnräume haben vor allem dank unbehandelter Objekte und Oberflächen ein stimmungsvolles Ambiente – beispielsweise aus Holz, Metall oder Stein. Dasselbe gilt für Textilien: Handgefertigte Teppiche aus Wolle, Baumwolle oder Hanf überzeugen mit einer wandelbaren Optik, ohne über die Jahre an Stabilität und Langlebigkeit zu verlieren.

Back to basics

Wenn es um Wohnen und Design im Wabi-Sabi-Stil geht, ist weniger definitiv mehr. Zu viele dekorative Gegenstände lassen Wohnräume überfüllt und unordentlich wirken. Verzichten Sie also lieber auf Objekte ohne persönlichen Bezug oder Wert. Jeder Gegenstand in Ihrem Zuhause sollte entweder schön sein, einen praktischen Zweck erfüllen, oder beides. Auch regelmäßiges Aufräumen wird Ihnen dabei helfen, sich besser zu fokussieren und dankbar für das zu sein, was Sie haben.


Mut zu Kontrasten

Selbstverständlich soll Ihr Zuhause ein Ort der Ruhe und Harmonie sein. Das bedeutet jedoch nicht, dass Sie alle Möbel und Dekorationen bis ins kleinste Detail aufeinander abstimmen müssen. Vielleicht ist der Couchtisch im Vintage-Stil aus einem anderen Holz als der alte Ohrensessel Ihrer Großmutter? Oder das Muster Ihres handgeknüpften Teppichs passt nicht exakt zu dem Ihrer Sofakissen?
Umso besser: Die Wabi-Sabi-Philosophie führt uns vor Augen, dass genau diese Eigenheiten den Charme von Wohnräumen ausmachen. So entsteht im Wabi-Sabi-Stil ein dynamischer Ort, der wächst und sich verändert – genau wie wir im Laufe unseres Lebens immer weiter wachsen und uns verändern.